«Wir sind uns der Verantwortung bewusst»

Es ist ein Generationenprojekt. Ebikon muss die veralteten Schulanlagen in den kommenden Jahren sanieren oder neu bauen. Im Interview sprechen Gemeinderat Andreas Michel und Rektor Ralph Späni über die Schulraumstrategie.

20. Oktober 2022

Herr Späni, die Erneuerung der Schulanlagen wird die Gemeinde über Jahrzehnte prägen. Sind Sie sich dieser Verantwortung des Grossprojekts bewusst?
Ralph Späni: Ja, dieser Verantwortung bin ich mir bewusst. Gleichzeitig bereitet es mir Freude, an einem solchen Generationenprojekt mitzuarbeiten. Unser Ziel ist es, der Ebikoner Bevölkerung eine gute Schulinfrastruktur zu übergeben, die den heutigen und künftigen Anforderungen gerecht wird.

Welche Anforderungen muss eine moderne Schule erfüllen?
Die Form des Unterrichtens hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt. Parallel dazu werden heute zusätzliche Kriterien an Schulanlagen gestellt als noch vor zwei Jahrzehnten. Eine zukunftsgerichtete Schule versucht den individuellen Lernbedürfnissen jeder einzelnen Schülerin und jedes einzelnen Schülers gerecht zu werden.

Das heisst?
Als ich zur Schule ging, stand vermehrt klassisches Reproduzieren von auswendig Gelerntem im Fokus. Wir verabschieden uns heute von lehrerzentriertem Unterricht und damit vom sogenannten 7G-Prinzip, das besagt: Gleichaltrige Schülerinnen und Schüler erreichen zum gleichen Zeitpunkt bei der gleichen Lehrperson im gleichen Raum mit den gleichen Mitteln das gleiche Ziel gleich gut. Dagegen findet optimales Lernen schülerzentriert statt. Kinder müssen an vorhandenes Vorwissen anknüpfen können und so ihren eigenen Weg finden. Plakativ erklärt brauchen ein Elefant, eine Giraffe, eine Schnecke oder ein Igel ganz unterschiedliche Strategien, um auf einen Baum zu klettern. Individualisiertes Lernen erfordert nicht nur neue Unterrichtsformen, sondern stellt auch neue Anforderungen an den Raum. Das Prinzip Klosterschule mit 24 Kindern an 12 Pulten wird dem Lehrplan 21 nicht gerecht.

Sondern?
Neben Einzel- und Partnerarbeiten gibt es vermehrt auch Lernformen in kleinen Gruppen, was zusätzliche Räume erfordert. Platz braucht es zudem für die integrative Förderung sowie für den Unterricht Deutsch als Zweitsprache (DaZ), da eine zusätzliche Lehrperson anwesend ist. Auch der Fachbereich Medien und Informatik stellt Anforderungen an die Infrastruktur von Schulanlagen. Hinzu kommt, dass heute verstärkt beide Elternteile arbeiten. Entsprechend steigt die Nachfrage nach Tagesstrukturen wie Mittagsbetreuung. Schon heute existieren Wartelisten.

Von diesem modernen Standard sind Ebikons Schulen weit entfernt. Erschwert das die Rekrutierung von neuen Lehrpersonen?
Sowohl unter den Lehrpersonen wie auch innerhalb der Schulleitung herrscht ein gutes Arbeitsklima. Das spricht sich herum und wir können vakante Stellen besetzen. Dennoch erhielt ich bereits Rückmeldungen, dass die Provisorien bei Vorstellungsgesprächen nicht gut ankamen. Tatsache ist: Zur didaktischen Umsetzung des Lehrplans 21 braucht es Platz. Wenn dieser fehlt, kann der Lehrauftrag nur eingeschränkt wahrgenommen werden. Ich bin überzeugt, dass wir mit der Schulraumstrategie auch dem Mangel an Lehrpersonen entgegenwirken.

Herr Michel, braucht es Investitionen von schätzungsweise 140 bis 150 Millionen Franken, nur damit die Schulen auf dem neusten Stand sind?
Ja diese Investitionen sind nötig, die Schulanlagen sind stark sanierungsbedürftig. Der Gemeinderat ist sich der hohen Summe und der damit einhergehenden Verantwortung bewusst und ein geschickter haushälterischer Umgang ist zentral für die Schulraumstrategie. Das Geld dient aber nicht bloss der Modernisierung der Anlagen, sondern auch der Erweiterung. Die Zahl der schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen steigt und wird weiter steigen. Das spüren wir schon heute. Aufs Schuljahr 2022/23 mussten über sämtliche Stufen neue Abteilungen geschaffen werden. Und aufs Schuljahr 2024/25 wird es aus Kapazitätsgründen zusätzliche Provisorien beim Campus Zentral brauchen.

Können Sie das belegen?
Die Gemeinde Ebikon hat aktuell 16 Kindergärten, 45 Primarschul- und 18 Sekundarschulklassen, in denen insgesamt 1470 Kinder und Jugendliche unterrichtet werden. Bis 2034/35 dürfte die Zahl der Schülerinnen und Schüler auf 2000 ansteigen. Diese Tendenz sehen wir auch in der jährlichen Klassenplanung. Das entspricht zusätzlichen 25 Klassen! Diese Zahl stammt aus einer aktuellen Prognose des Kantons Luzern, die sich auf die geschätzte Baukapazität stützt.

Wie wird sichergestellt, dass mit den richtigen Prognosen gearbeitet wird?
Die Arbeitsgruppe hinter der Strategie ist bereichsübergreifend. Expertinnen und Experten der Abteilungen Bildung, Planung & Bau sowie Finanzen ziehen gemeinsam an einem Strang. Dabei werden sie von externen Fachpersonen unterstützt. Diese Arbeitsgruppe führt gerade in Bezug auf die demografische Entwicklung ein aktives Monitoring durch. Falls nötig, wird die Strategie angepasst.

Kann die Gemeinde die steigenden Schülerinnen- und Schülerzahlen nicht günstiger abfedern, indem bestehende Gebäude saniert und weitere Provisorien aufgestellt werden?
Die Schulhäuser der Gemeinde Ebikon sind in die Jahre gekommen. Das Modernste ist das Feldmatt mit Baujahr 1994. Entsprechend besteht bei verschiedenen Schulhäusern Totalsanierungsbedarf. Wenn wir lediglich die bestehenden Schulanlagen sanieren und in Zukunft auf weitere Provisorien setzen, haben wir letztlich bloss ein unattraktives Flickwerk, das sich weder langfristig noch finanziell lohnt.

Am 27. November 2022 stimmt Ebikon über den Landtausch Wydenhof ab.

Das heisst, es wurden und werden günstigere Varianten geprüft?
Ja, der bisherige Prozess wurde sorgfältig geplant. Zum Beispiel konnten beim Wettbewerbsprogramm zum Schulzentrum Ost Optimierungen angebracht werden, die zu Einsparungen in Millionenhöhe führten. Heute hat das Schulzentrum Ost ein Preisschild von 44,6 Millionen Franken. Zu Beginn des Strategieprozesses wurde mit mehr als 50 Millionen gerechnet. Bei den aktuell 15 laufenden Projekten der Schulraumstrategie werden wir immer wieder Möglichkeiten zur Feinjustierung anbringen können. Die Schulraumstrategie ist ausgerichtet bis 2035 und für alle involvierte Stakeholder die beste Lösung.

Die grössten Stakeholder sind die Kinder, Jugendlichen, Eltern und letztlich die Bevölkerung der Gemeinde Ebikon. Können Sie bei der Umsetzung der Schulraumstrategie mitreden?
In diesem Herbst haben wir die Bevölkerung mit dem Falt-Flyer umfassend über den aktuellen Stand der Schulraumstrategie informiert. Neue Informationen werden laufend auf www.schulraumstrategie-ebikon.ch veröffentlicht. Zudem findet am 8. November 2022 in der Aula Wydenhof eine Orientierungsversammlung zu den Abstimmungen von Ende November statt, in der Fragen zur Strategie beantwortet werden. Es soll auch einen partizipativen Prozess geben, in den Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie die Bevölkerung aus den betroffenen Quartieren miteinbezogen werden. Die Bevölkerung wird zudem über einzelne Schritte an der Urne mitentscheiden wie etwa am kommenden 27. November 2022 bei der Abstimmung zur kommunalen Vorlage betreffend Landabtausch Wydenhof.

Seit 13 Jahren sind Sie Gemeinderat. Gab es in Ihrer politischen Karriere vergleichbare Projekte?
Ich konnte bereits grössere Projekte begleiten, jedoch noch nie in diesem Umfang. Ich habe deshalb eine gesunde Portion Respekt, denn es steht uns noch viel Arbeit bevor. Gleichzeitig empfinde ich die Aufgabe als sinnstiftend und erfüllend. Ich stelle mir vor, dass meine Enkel in Zukunft in Ebikon von den neuen, attraktiven Schulanlagen profitieren. Unser Ziel ist ein Nutzen für die ganze Bevölkerung.

Inwiefern?
Die Neubau- und Sanierungsprojekte schaffen ein gutes Bildungs- und Betreuungsangebot. Dadurch verbessert sich die Standortqualität. Die Schulzentren Ost, West und Campus Zentrum sollen mit ihren Spiel- und Sportplätzen zu Begegnungszonen werden. Auch die Vereine werden profitieren, indem ihnen ausserhalb der Schulzeiten Räume wie die Dreifachturnhalle Ost zur Verfügung stehen. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Umsetzung der Schulraumstrategie Ebikon attraktiver macht, wovon langfristig die ganze Gemeinde profitieren wird.